Kathrin Passig

Rezension "Bin ich zu blöd?" von Sibylle Herbert

Die semilustige Technikklage ist vermutlich gleich nach den Themen Krankheit und Wetter eins der beliebtesten Gesprächsthemen der letzten Jahrzehnte. Da überrascht es wenig, dass die Einleitung zu Sibylle Herberts "Bin ich zu blöd? - Der Handy-Hotline-Technik-Terror" die Entstehung des Buchs aus einer geselligen Klagerunde schildert. Im privaten Kreis erfüllt das Technikterrorthema vor allem eine kathartische und tröstend-verbindende Funktion. Der Informationswert langer Erzählungen vom Scheitern ist für den Zuhörer gering - umso mehr, als es dabei in aller Regel um Unternehmen geht, zu denen es entweder keine Alternative gibt (die Deutsche Bahn) oder die einer Branche angehören, in der der Kunde nur die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub hat (Telekommunikation).

Auch in "Bin ich zu blöd?" geht es im Wesentlichen um Trost und Katharsis. Die Botschaft lautet: Du bist mit deinem Scheitern an der Technik nicht allein. Das ist ein löbliches Ziel, aber gibt es den Leser überhaupt, dem diese Einsicht noch vermittelt werden muss? Anders als in weniger angesehenen Domänen des Scheiterns zieht die öffentliche Klage über Hotlineodysseen und defekte Geräte keinen Imageschaden für denjenigen nach sich, der sie vorträgt. Entsprechend oft und gern wird sie praktiziert. Falls es tatsächlich Menschen geben sollte, die mit solchen Problemen ganz alleine dazustehen glauben, wird die Lektüre keine Wünsche offen lassen. Etwa 180 der 224 Seiten widmen sich der ausführlichen Schilderung technischer und organisatorischer Alltagsprobleme. Kleinere Unstimmigkeiten kann man dabei unter dichterischer Klagefreiheit verbuchen; so wird etwa von Seite 92 bis 98 unter IKEA-Seitenhieben erfolglos versucht, einen Kinderschreibtisch zusammenzubauen, der gar nicht von IKEA stammt, wie nicht nur die Artikelnummer verrät. "Vierzehn verschiedene Schraubentypen" finden sich eben gerade nicht bei IKEA-Möbeln.

Ein Buch über Technikterror aber sollte mehr leisten als die private Klagerunde, wie das ja auch Bücher über Krankheiten oder das Wetter im Allgemeinen tun. Zunächst wären verschiedene naheliegende Einwände zu entkräften, namentlich der, dass es sich um eine verbreitete, aber letztlich harmlose und traditionsreiche private Unzufriedenheit handelt, die keinen Anlass zu gesellschaftlicher Aufregung gibt. "Egal wohin man schaut, egal mit wem man redet, jeder kann Geschichten erzählen von seinem immer komplexer werdenden Alltag, von der Überforderung unseres Zeitalters." So viel ist unübersehbar, aber müsste man nicht zunächst herauszufinden versuchen, ob die Häufigkeit dieser Erzählungen wirklich zugenommen hat, ohne dass dafür andere Klagethemen zurückgegangen sind, und ob die Klage nicht ganz anderen sozialen Zwecken dient, als ihr manifester Inhalt vermuten lässt?

Um die Beschwerden aus dem Bereich des privaten Ärgernisses in den der apokalyptischen Rede zu heben, gibt es verschiedene Möglichkeiten. In einem ersten Schritt wäre darzulegen, dass die beschriebenen Phänomene tatsächlich neu sind. Herbert streift die Frage kurz im Zusammenhang mit ihren Überlegungen über "die Welt der tausend unbezahlten Jobs": "In grauer Vorzeit, Anfang der 50er, hat mit der Erfindung der Supermärkte das Jahrhundert der tausend Jobs begonnen. Damals wurde den Kunden mitgeteilt, es sei ein tolles Erlebnis, mit Einkaufswagen durch die Regalreihen zu fahren und sich die Nudeln, Gurken und Würste selbst zu suchen." Dass Nudeln, Gurken und Würste heute nicht mehr von Verkäuferinnen über den Tresen gereicht werden, stört vermutlich auch Sibylle Herbert nicht, und der historische Aspekt kommt im weiteren Verlauf des Buchs nicht mehr zur Sprache. Aber dass die Verlagerung von Dienstleistungen zum Kunden nicht in dem Moment problematisch wird, an der sie erstmals auftaucht, sondern zu einem späteren, nach privaten Kriterien ausgewählten Zeitpunkt, ist ein Klassiker der Veränderungskritik und erinnert an den Versuch des Sprachkritikers Wolf Schneider, zu erklären, warum Anglizismen aus den 1950er Jahren akzeptabel sind, neuere aber nicht.

Die Dinge ändern sich, und spätestens seit der Industrialisierung ändern sie sich sogar recht schnell. Damit ist bisher noch jede Generation zurechtgekommen - in jungen Jahren ganz gut, im Alter etwas schlechter. "Nun kann man einwenden", schreibt Herbert, "dass dieses Problem mit dieser Generation aussterben wird. Diese Hoffnung dürfte sich aber zerschlagen, denn die Entwicklung stoppt ja nicht, sondern geht permanent und in höherem Tempo weiter. Die Jüngeren von heute sind die Alten von morgen." Das ist das Argument "Diese Veränderungen von heute sind andere, schlimmere (in diesem Fall: beschleunigte) als die guten alten Veränderungen von früher", ein enger Verwandter des Methusalix-Arguments "Ich hab nichts gegen Fremde. Aber diese Fremden da sind nicht von hier!"

Herbert hat in der Sache recht - bestimmte Probleme sterben mit einer Generation aus, dafür wachsen neue Probleme nach -, zieht daraus aber den Schluss, dass die nachfolgenden Generationen mit einer Art verschärften Form derselben konkreten Alltagsprobleme zu kämpfen haben werden. Tatsächlich werden kommende Generationen nur auf der Metaebene mit denselben Problemen beschäftigt sein wie wir: Es wird ihnen schwer fallen, mit Veränderungen zurechtzukommen. Sie werden sich ungern von Gewohnheiten trennen. Und billigere Produkte werden ihnen lieber sein als teure, auch wenn diese billigen Produkte größere Risiken etwa in Form schlechter Gebrauchsanweisungen mit sich bringen.

Wahrscheinlich ist dieses Verhalten sogar ganz vernünftig. Herbert kritisiert, der Kunde sei leider "kein rationales Wesen: Einerseits liebt er die kleinen Geschäfte, andererseits trägt er mit seinem Kaufverhalten - 'billig ist geil' - dazu bei, dass sich kleine Geschäfte immer schwerer am Markt behaupten können." Aber was, wenn genau so rationales Verhalten aussähe? Auf jeden spektakulären Fall, in dem das billige Gerät unbenutzbar ist oder viermal zur Nachbesserung eingesendet werden muss, kommen viele Fälle, in denen alles gutgeht. (Und wenn es nicht klappt, hat man immer noch eine schöne, befriedigende Klagegeschichte zu erzählen.) Gerade in Zeiten der im Internet nachlesbaren Produktbewertungen durch Kunden ist es leichter denn je, eine individuelle Abwägung zwischen Reinfallrisiko und möglicher Ersparnis vorzunehmen - eine Möglichkeit übrigens, die Herbert im Zuge ihrer Klage über das Verschwinden persönlicher Kundenberatung nicht erwähnt.

Vielleicht kommt es aber auch einfach noch viel schlimmer, und das, was heute noch manche bewältigen, wird in naher Zukunft von niemandem mehr verstanden werden können? "Die IT-Entwicklung wird weiter voranschreiten und unseren Alltag bestimmen. Die Komplexität von Produkten wird eher zu- als abnehmen." Die erste Aussage ist eine sichere Bank, aber der zweite Satz folgt weder logisch aus ihr, noch wird er in irgendeiner Weise belegt. Wir wissen nicht, ob die Komplexität von Produkten in Zukunft zu- oder abnehmen wird. Nähme man ersatzhalber die bisherige Entwicklung unter die Lupe, fände man vermutlich etwa bei Mobiltelefonen oder Websites einen Trend zur steigenden inneren Komplexität bei gleichzeitig leichterer Benutzbarkeit. Historisch spricht mehr dafür, dass von vielen Menschen als lästig empfundene Probleme nicht unendlich eskalieren, sondern entweder gelöst oder unter verhaltenem, chronischem Murren hingenommen werden, weil sie die Nebenwirkung eines noch größeren Vorteils darstellen.

Oder sollen wir das Thema aus der "Wetter, Zipperlein, Handwerker"-Schublade in die der ernstzunehmenden Probleme befördern, weil es in Wirklichkeit sozialer Natur ist? "Die jüngere Generation kennt es nicht anders. Sie zahlt oder macht selbst. Alte Menschen, Ausländer, Menschen mit wenig Geld oder geringer Bildung sind die Verlierer." Irritierenderweise werden die sozial Schwächeren gerade da ins Feld geführt, wo es um "No frills"-Angebote wie Billigfluglinien, "Cut and go"-Friseure und Etap-Hotels geht. Es mag ja sein, dass gerade durch diesen Trend Menschen mit wenig Geld schlechter gestellt werden. Aber wie das genau zugeht, das müsste man dann eben doch erklären und nicht nur behaupten.

Die zentrale Frage, ob es überhaupt Anlass zur Besorgnis gibt und nicht im mindestens gleichen Umfang, in dem Probleme entstehen, gleichzeitig andere gelindert werden oder verschwinden, bleibt ebenso offen wie die, wie es zu den geschilderten Ärgernissen kommt, ob sie unvermeidlich sind und wenn nein, an welcher Stelle man ansetzen müsste, um sie zu lösen. Welche Überlegungen stecken hinter den Fahrscheintarifen und den Ticketautomaten der Bahn? Hätte man nicht einmal beim Hersteller nachfragen können, warum in der Anleitung des Durchlauferhitzers, mit dem die Autorin sieben Seiten lang kämpft, ein entscheidender Hinweis fehlt? Lediglich im Kapitel über Krankenversicherungen - einem Fachgebiet der Autorin - geht es etwas analytischer zu.

Schade ist insbesondere, dass dort, wo es einmal um Fakten geht, flüchtig recherchiert wurde: "Die letzte Umfrage des Beratungsunternehmens ServiceBarometer brachte außerdem zutage: Alle 24 untersuchten Branchen von Lebensmittelmärkten und Reiseveranstaltern bis hin zu Stromversorgern oder Fondsgesellschaften schneiden schlechter ab als die Jahre zuvor." Auf der als Quelle angegebenen Servicebarometer-Website findet sich diese Aussage allerdings nicht. Dort heißt es: "Seit dem bisherigen Tiefpunkt der Kundenzufriedenheit in Deutschland Mitte der neunziger Jahre hat sich das Serviceniveau aus Sicht der Verbraucher in vielen Bereichen des täglichen Lebens nachhaltig verbessert." (Hervorhebungen K.P.) Dem Buch liegen vermutlich die im Vergleich zu 2009 etwas durchwachseneren Servicebarometer-Ergebnisse des vorletzten Jahres zugrunde. Selbst jenen Daten hätte man aber entnehmen können, dass sich einige Branchen 2008 verbessert hatten und die Tendenz insgesamt positiv war.

Um die versprochenen konstruktiven Lösungsansätze geht es schließlich im letzten Kapitel: Nicht sich selbst die Schuld geben. Beim Kauf von Geräten auf Bedienbarkeit und Service achten. Nicht jeden neuen technischen Trend mitmachen. Aber es ist zu spät; nach der vorangegangenen 200-seitigen Klage wirken diese dreieinhalb Seiten etwas halbherzig angebastelt. Die eigentliche Botschaft, die das Buch transportiert, ist daher eine seltsam begeisterte Hilflosigkeit. Die Zumutungen des Alltags sind so groß und zahlreich geworden, dass an eine Bewältigung nicht mehr zu denken ist. Ungestört können wir uns der Lust an der Klage und der Verweigerung hingeben. Der Schlusssatz "Nicht wir sind blöd, sondern die Welt, in der wir uns bewegen" enthüllt ein Grundproblem des Buchs: Die konstruierte Trennung zwischen Mensch als Opfer und seiner - von Menschen gestalteten - Umgebung als Schuldigem behindert die Erkenntnis. Die Welt, in der wir uns bewegen, ist nicht blöder als wir selbst. Es ist richtig, Mängel zu benennen und wichtig, diese Mängel hin und wieder zu beklagen, wenn sich die Lage bessern soll. Aber die Auseinandersetzung darf nicht im Klagestadium steckenbleiben. Warum Technik oft schwer benutzbar und Service schlecht ist, und wie sich diese Probleme lösen oder zumindest bewältigen lassen, sind Fragen, zu deren Beantwortung "Bin ich zu blöd?" leider wenig beiträgt.